Samstag, 14. Juni 2014

Unverhofft kommt … na unverhofft halt.

HIT-felder Volkslauf

Für Sonntag stand zwar der 30 km Traillauf vom "Trail Magazin" in der Fischbeker Heide im Kalender, aber dennoch sagte ich Mitte der Woche einer Freundin zu, dass ich sie bei ihrem 4,5 km Lauf in Hittfeld als "Tempomacher" begleiten würde. Vermutlich ist es auch besser 4,5 km zu laufen, als einen Tag vor einem langen profilierten Waldlauf noch 2-3 Std. MTB zu fahren.
Am Samstagmorgen saß ich gerade noch entspannt beim Frühstück, als das Telefon den Eingang von Nachrichten vermeldete. Besagte Freundin entschied sich aus heiterem Himmel gegen (m)eine Laufbegleitung. „Zu viel Druck.“
Wie bitte? Druck?? Von mir??? Es war doch gar nicht meine, sondern IHRE Idee! Frauen…
Sie wollte jetzt nur noch, dass ich die letzten 500 bis 1.000m mit ihr laufe. Um sie anzufeuern. Für den Schlusssprint.
Kann nicht gerade behaupten, dass mich diese Entwicklung freute oder meine morgendliche Stimmung anhob. Im Kopf auf 4,5 km vorbereitet, Sachen zusammengekramt, früher aufgestanden, Hund Gassi geführt, alles andere abgesagt und nun das alles für einen lausigen 1.000m Lauf?
Immerhin hatte sie noch eine weitere neue Idee:
Ich könnte ja stattdessen die 10,6 km laufen. Bis ich im Ziel bin, wäre der kurze Lauf noch gar nicht gestartet (und sie somit auch noch nicht auf dem Schlussstück) - also genug Zeit zur "Erholung".
Ein spontanes 10 km RENNEN? Hmmmm. Wäre mal was Neues. Da ich eigentlich ganz passabel im Training war und mein Laufpartner Burkhard dort auch über die HM Distanz an den Start ging, sagte ich zu schließlich nach Rücksprache mit ihm zu.

Der Start- und Zielbereich war das Gymnasium in Hittfeld - genau auf der Tour Nr. 2 meiner ehemaligen Posttätigkeit. Brrrr. Aber auch irgendwie lustig. Das Auto musste zwar etwas weiter weg abgestellt werden, aber sonst lief alles glatt mit der Nachmeldung nur lausige 20 min vor dem Start.
Überraschenderweise traf ich auch noch meinen alten Studiotrainingspartner und Mountainbikespezie Stephan dort. (Wann läuft der Faulpelz eigentlich mal selbst, anstatt nur seine Frau oder/und seine Kinder?)
Apropos Kinder: Den Kinderlauf über 600m konnte ich mir auch noch ansehen. Super, die Kleinen! Beim Nachwuchs läuft's.

Das Wetter war gut, sonnig, ein paar Wolken und auch eine Brise Wind. Idealbedingungen also.
OK die +21°C könnten auch des Guten zu viel werden, aber das ist dann jammern auf hohem Niveau.




Erst mal vorn auf dem Rasen an der Startlinie platzieren und dann noch mit dem Handy rumfummeln, um de Laufapp zur Streckenaufzeichnung zu starten (was allerdings nicht wirklich funktionierte) und es sicher in der hinteren Hosentasche verstauen. Keine 10 Sekunden später kam dann auch schon der Startschuss.
Die Meute stürmte den Grashang herunter und ich fand mich nicht nur mittendrin, sondern ganz vorn mit dabei. Die erste Linkskurve nach etwa 400m nahm ich sogar als erster! Oha, so ist das also, wenn man in Führung liegt? OK, nur etwa 2-3m, aber immerhin.
Auf dem Straßenstück ging es weiter bergab, was ein großgewachsener Läufer als willkommene Aufforderung zum Überholen ansah. Etwa 200m gelang ihm die Führung auch, dann zog ich wieder vorbei und beschleunigte weiter.
Nach nur etwas über einem Kilometer kam hinter der nächsten Kurve auch schon die Wasserstation. Da hatte ich bereits knapp 30m Vorsprung. Das Wasser wurde im Schweinsgalopp mitgenommen und irgendwie in den Hals und sonst wohin befördert. Wasser auf der Haut soll ja kühlen – auch wenn das das in dem Moment nicht Sinn und Zweck war.
Sonderbarerweise kam niemand wirklich an mich heran, keiner lief auf mich auf oder zog gar vorbei. Wo blieb denn der Lokalmatador, der hier seine Rennen gewinnt? Und die anderen Windhunde? Lassen die mich nur die Führungsarbeit machen, weil sie die Strecke kennen?

Weiter gerade aus, unter den Bahngleisen hindurch und dann direkt rechts danach leicht bergauf und parallel zu den Gleisen auf dem Rumpelweg weiter. Alte Erinnerungen ans Zustellgebiet wurden wach - dort konnte man wunderbar mit dem Postauto im Schnee stecken bleiben. Zu Fuß passiert so was hoffentlich nicht. Aber so ein Schlagloch soll ja auch ganz wunderbar für Mark und Bein sein…^^

Der prüfende Blick über die Schulter offerierte mir einen respektvollen Abstand der Verfolger. War daran etwa der kleine Anstieg dran Schuld oder sparten die nur Kräfte?
Wieder eine Rechtskurve, unter der Bahn hindurch und schon lief ich wieder auf dem ersten leicht abschüssigen Straßenabschnitt entlang. Rechts sah ich ein Schild auf dem "7 km" stand – es hätten doch aber nur maximal 3 km sein dürfen. Oh Shit, ich hatte doch nicht etwa eine Abzweigung übersehen?!? Mir liefen zwar alle hinterher, aber die folgten mir vielleicht auch nur blindlings wie die Lemminge.
(Das Schild gehörte zur HM Runde, wie ich später begriff. Zu dem Zeitpunkt war aber zu viel Blut in meinen Beinen und nicht im Hirn.)

Das zweite Mal ging es jetzt am Wasserstand vorbei und da passierte es: Ich wurde überholt. Unvorbereitet auch noch. Mist. Das musste aber ja früher oder später passieren. Und der Abstand wurde größer. Kein Wunder eigentlich, junge Läufer haben in der Regel auch bessere Sprinterqualitäten. Na immerhin hatte ich mal 4 km lang erlebt, wie sich ein ein echter Frontrunner fühlen muss! :-)

Abermals liefen wir unter den Bahngleisen hindurch, aber jetzt ging es stattdessen weiter geradeaus, wo der Fußweg gaaaaanz allmählich anstieg. Und ich kam näher! Spielte der Jungspund etwa mit mir? Wollte er mich erneut die Führungsarbeit machen lassen? Vielleicht fiel ich gerade auf seine Taktik herein und würde dafür nachher bezahlen? Hatte er sich bei der Jagd nach mir übernommen? Oder machte ihm die "Steigung" tatsächlich zu schaffen? Egal. Ich war nicht als Tourist hier und bei einem Wettkampf dödel ich auch nicht herum. Also lief ich auf ihn auf und zog langsam vorbei. Wortlos, ohne Blickkontakt, Pokerface. Er sollte ja auch nicht sehen, dass ich dafür arbeiten musste. Etwa 1,5 km hatte er geführt.
Als ich vorbei war, behielt ich das Tempo bei. Vor uns tauchten langsamere Läufer vom früher gestarteten Halbmarathon (HM) auf, die respektvoll Platz machten. Dann ging es auf einmal wieder rechts rum in den Wald. Genauer gesagt, ging es dabei rauf. Also sichtbar rauf. Und rauf kann ich eigentlich ganz gut. Also lief ich immer schneller hoch und als ich oben war und mich umsah, da sah ich... niemanden! Wo war er denn geblieben?!? Verlaufen war nicht möglich. Sollte er doch tatsächlich schlapp gemacht haben? Vermutlich übersah ich ihn nur. Also nachdenken einstellen und weiter hart laufen.

Das Waldstück war wellig und das nächste Schild zeigte mir "7 km" an. Wenigstens war ich demnach korrekt auf Kurs. Reihenweise überholte ich nun weitere Läufer vom HM und der gelegentliche Schulterblick zeigte keine nahenden Verfolger. Mir zumindest nicht.
Am Tag zuvor hatte ich noch gesagt, dass ich zwar ein ganz passabler Läufer bin und auch stets im vorderen Viertel landen kann, aber ich war mir sicher, dass ich nie ein Rennen gewinnen würde. Nie. Sollte ich mich etwa irren...?

In meinem Kopf wiederholte sich erneut das schon nach 2-3 km erstmals aufkeimende Szenario, dass sich von weiter hinten ein Läufer nähert und allmählich schneller wird. Der Läufer, der kurz vor dem Ziel an mir vorbei ziehen würde. Unnachahmlich vorbei ziehen.
Ich war mir sicher, dass es so einen hinter mir im Feld gab. Vielleicht sogar mehr als einen. Und ich würde nicht (mehr) kontern könnten. Kann ja auch nicht sein, dass ein "alter Sack" wie ich über 10 km gewinnt. Aber ok, ich war zumindest mental darauf eingestellt, dass genau das wohl gegen Ende passieren wird.
Aber wenn dem so sein sollte, dann müsste derjenige oder diejenigen gefälligst schon richtig dafür arbeiten! Also ließ ich trotz (vermeintlichem großem?) Vorsprung nicht locker, sondern rannte Meter um Meter weiter mit ordentlich Dampf in den Beinen, keuchendem Atem, bollerndem Herzen, Puls jenseits der 160er Marke und stetig steigendem Durst den Waldweg entlang.

Dann kam endlich der Anstieg auf der Wiese hoch zur Startlinie und ich machte nochmals Druck. Oben angekommen der bange Schulterblick in Erwartung mindestens eines hartnäckigen Verfolgers beim Endspurt. Breit grinsend.
Aber da kam nichts und niemand. Eine halbe Stadionrunde noch und ich hätte das Ding tatsächlich … gewonnen! Das kann doch nicht sein, oder? Die glichkeit hatte ich doch vor noch nicht einmal 24 Stunden komplett verworfen.


So lief ich die Stadionrunde zu Ende, weckte dabei verbal den auf dem Rasen vor sich hin träumenden Stephan (der offenbar nicht jetzt schon mit dem ersten Läufer rechnete - so wie viele vor Ort), ballte die Faust, rannte auf dem Rasen über die Zielmatte und schrie mir die Freude aus der Seele.
ERSTER!
Und das quasi mit einem Start-Ziel-Sieg.
10,5 km in 40:38 min!






Ich keuchte und pumpte jetzt wie ein auf dem Rücken liegender Maikäfer und war auch ansonsten schön nass geschwitzt, weil mein ganzer Körper glühte. (Wenn auch längst nicht so schlimm wie beim Stadtparktriathlon 6 Tage zuvor.) Die ersten bekannten Gesichter tauchten zum Gratulieren auf und ich fand langsam wieder zum Normalpuls zurück.
So fühlt sich das also an? GEIL! 
:-)

Wo blieb eigentlich der zweite? Es dauerte genau 2:28 min, bevor er die Ziellinie überquerte und wir gegenseitige Beglückwünschungen austauschen konnte. Er war erst 16 Jahre alt! Krass. Er meinte, die Steigung hätte ihm zu sehr zu schaffen gemacht, so dass er abreißen lassen musste.
Nach und nach trudelten nun die nächsten Läufer ein. Die Nr. 4 war so um die 50 Jahre alt, ließ sich hinter mir auf die Klappbank plumpsen und fragte dann seine hinter dem Absperrband stehende Frau, nach dem Namen eines bestimmten Läufers und ob dieser gewonnen hätte. Ihre Antwort lautete "Nein, der ist noch nicht mal im Ziel. Gewonnen hat irgend so ein Freak."!!!
Freak? FREAK?!? So also wird man betitelt, wenn man ein Rennen gewinnt. Ich sollte dringend an meinen Jubelgesten arbeiten.
Sehr dringend!



Ach ja, mit der Freundin lief ich auch noch wie vereinbart ihre letzten 500m und für sie gab es auch noch was zum Feiern: Ihre Altersklasse gewann sie souverän und wurde zudem gesamt Zweite über 5,4 km – wobei Platz 1 und 3 sogar zusammen noch jünger waren als sie selbst. Ursprünglich war sie sogar versehentlich bei den Männern gelistet – aber selbst dort lag sie zumindest noch in der vorderen Hälfte.
Und Burkhard? Ach der hat seinen HM natürlich auch gewonnen. Wie üblich mit großem Vorsprung. Wie auch sonst?

Ganz am Ende fand dann noch die Siegerehrung statt. Ein sonderbares Gefühl, wenn man nicht zum Zusehen dort herumsteht, sondern auf seinen Namen wartet und das Podest betritt. Es gab sogar zwei Titel (AK und Gesamt) und somit auch zwei Flasche Sekt für mich - eine große und eine kleine. Die kleine bekam die Freundin, denn ohne ihre Anregung wäre ich gar nicht dort gestartet und hätte auch nichts zu feiern gehabt.

Keine Ahnung, ob ich kleinere "Dorfrennen" in Zukunft häufiger bestreiten werde, aber mal dort oben zu stehen hat schon was. Angesicht der Konkurrenz ist der Titel vielleicht nicht so viel "wert", aber kolportierte 10,5 km in 40:38 min entsprechen einem Schnitt von 3:52 min/km und damit kann ich wiederum seeehr zufrieden sein – besonders auf dem Streckenprofil. Das war dann schon ein echtes Rennen und ich habe das an dem Tag mir Mögliche aus mir herausgeholt.


Randnotiz: Auf den Seiten des Veranstalters gibt es zwar jede Menge Fotos von den Siegerehrungen, aber tatsächlich kein einziges von mir bzw. überhaupt vom 10,5 km Podium. OK, hellblau sollte man nicht tragen, wenn man beim Laufen droht ins Schwitzen zu kommen, aber soooo schlimm sah das nun wirklich nicht mehr aus. Hm, Freak halt?^^

PS.
Für den Traillauf am nächsten Tag wurde ich nur für die 16 km Runde als einer der Guides eingeteilt, statt zur großen 30 km Runde. Irgendwie fand ich das an dem Sonntag aber nicht soooo enttäuschend oder gar schlimm...
;-)


Danke fürs Lesen!

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