Sonntag, 29. Juni 2014

Bislang war's der dritte Streich und der vierte...?


HH Halbmarathon

Wieder mal ein Rennen. Das vierte an vier aufeinander folgenden Wochenenden. 3 überaus erfolgreiche Starts: Mein Debüt beim Triathlon, mein erster Sieg in einem Rennen überhaupt (10,5 km) und eine neue 15 km Bestzeit. Und jetzt noch einen Halbmarathon oben drauf. Kann das gut gehen? Einerseits hängt die Latte hoch (1:26:40 Std. auf HM), andererseits lassen die Ergebnisse hoffen, doch mal die 1:25:00 Stunden zu knacken -> also 1:40 min schneller als meine Bestzeit.
Oder sind auch Abnutzungserscheinungen möglich? Seit dem HH Marathon Anfang Mai habe ich die Form die ganze Zeit halten und sogar noch ausbauen können. Eigentlich müsste bald der Einbruch kommen. Droht der heute?
Versuch macht klug...

Der Tag fing schon mal so richtig mies an: mit dem Aufstehen nämlich. Warum ist die Nacht vor einem Rennen für mich bloß immer so kurz? Und draußen: Regen! Brrrrr. Schon sinkt die Laune weiter. Andererseits kann ich bei schlechterem Wetter immer recht schnell laufen. Vermutlich weil ich fix wieder ins Trockene will?^^ Ein gutes Omen also?
:-)

Treffen mit meinem Laufpartner Burkhard und ab zur Bahn. Die erste laut Fahrplan kommt schon mal gar nicht. Na super, geht ja gleich gut los - auch wenn wir etwas früh dran sind. Wenigstens die nächste kommt wie erhofft und ab geht’s zu den Landungsbrücken.
 
Pilgergang von den Landungsbrücken hoch zum Startbereich, wo auch die LKWs warten. Wir sind immer noch locker 30 min vorm Start dort. Und nun? Warten? Sachen ausziehen, abgeben und im Startbereich rumtrödeln … und dabei nass werden und frieren? Hmmmm... Egal, lieber zu früh, als am Ende hetzen - also weg mit dem Zeug.

Noch kreisen die Inlineskater herum. Aber nur auf der linken Bahn. Die rechte ist jetzt schon ziemlich voll mit Startern. Zu voll. Also stellen wir uns auf die Fahrbahnabtrennung und warten bis der letzte Inlineskater durch ist und somit die Bahn freigegeben wird. Und schon steht man ganz vorn an der Startlinie! Hehehe.
Blicke nach rechts offenbaren nur dunkelhäutige Läufer. Hey, so ist man wenigstens die ersten paar hundert Meter an ihnen dran.
:-)

Mit etwas Verspätung geht es los gen Westen über die "Reeperbahn". Gutes Tempo, die Elite rechts von mir sogar noch in Schlagweite, und den leichten, aber stetigen Anstieg hinauf zum Altonaer Rathaus. Langsam aber sicher zieht sich das Feld dabei auseinander. Direkt vor mir sind jetzt nur noch ein paar (weiße) Läufer, aber hinter mir ist es voll. Selbst Burkhard bleibt vor mir noch in Sichtweite.
Direkt vorm Altonaer Rathaus geht es links rum in die Kurve und runter gen Hafen. Immer noch bin ich weit vorn mit dabei. So soll es sein!

Die Hafenmeile wird geradezu im Tiefflug genommen, die Zwischenzeiten lassen bislang auf eine neue Bestzeit hoffen. Und dann dieser miese Anstieg die "Helgoländer Allee" wieder hinauf zur "Reeperbahn". OK, ich mag den auch nicht sonderlich - besonders wenn es um den Versuch einer neuen Bestzeit geht. (Die aktuelle stammt schließlich vom tellerflachen HM in Neugraben.) Aber andere mögen solche Anstiege ganz offensichtlich noch viel, viel weniger. Also wird laufend überholt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Kaum bin ich oben, ertönt der erste "Andi!" Ruf. Und ja, dieses Mal entdecke und erkenne ich sogar ein bekanntes Gesicht. Augen und Hirn werden also doch noch ausreichend durchblutet.

Einige die eben noch kurz vor oder mit mir oben ankamen, zollen dem mehrere hundert Meter langen Anstieg Tribut und nehmen Tempo raus. Ich schwitze, keuche und fluche innerlich zwar ähnlich, kann aber dank der stetigen Laufeinheiten in den Harburger Bergen doch einigermaßen zügig weiterlaufen.
Entlang der Reeperbahn zieht sich das eh schon lockere Feld wieder etwas weiter auseinander. Nur wenige Kleingruppen noch. Und auch Burkhard, der alte Haudegen, ist weiterhin in Sichtweite. Das will schon mal was heißen. Zumindest für mich!
Wieder geht es am Rathaus vorbei und runter zum Hafen, aber dieses Mal weiter gerade aus.
Die 10 km Marke wird passiert - 38:25 min! Das liegt nur 5 Sekunden über meiner offiziellen 10 km Bestzeit (2012) und das als Durchgangszeit??? WOW! Also entweder wird das ein super Lauf oder aber ich werde nachher elendig eingehen...
(Ja ich weiß, beim Nachtlauf vor einer Woche war ich nach 10 km rechnerisch schneller, aber dort war die Strecke flach und ich musste auch nicht noch mehr als die doppelte Distanz zurücklegen.)

Durch den "Wallringtunnel" hindurch, den einzigen Fleck ohne Zuschauer - dafür aber mit klasse musikalischer Beschallung bei erstklassiger Akustik - und wie gehabt rechts weg zur Alster. Dann aber geht es nach der Unterführung überraschenderweise links auf der "Kennedybrücke" entlang. Oh, die Streckenführung ist anscheinend geändert worden. Hätte man sich ja mal informieren können. Wie lange war ich hier nicht mehr am Start? 4 Jahre?^^
Der Weg ist gesäumt mit Cheerleadern. Cool. Auch neu für mich. Am Ende kommt dann der Wendepunkt. Gute Gelegenheit auf dem Hinweg in den Gesichtern der vor einem laufenden nach Ermüdungsanzeichen zu suchen, anschließend auf dem "Rückweg" die Verfolger anzusehen und die Abstände einzuschätzen. Hier liegen 2/3 der Strecke hinter allen, noch 7 km zu laufen. Und da kommt mir Sergio entgegen. Ich habe die Wendemarke hinter mir, er sie noch vor sich. Er ist also jetzt schon verdammt nah dran. Was Sergio am Ende noch rauslaufen kann, hat er mir ja beim Nachtlauf vor 8 Tagen eindrucksvoll demonstriert. Ob er mir auf den letzten Metern wieder im Nacken sitzen wird und wir uns einen Zielsprint liefern werden? Im Vorbeifliegen grüßen und feuern wir uns kurz gegenseitig an. Danach geht es mit sturem Blick weiter geradeaus.

Mein Puls liegt irgendwo bei über 150 Schlägen, ich keuche und meine Füße hämmern über den Asphalt. Beim Nachtlauf war jetzt schon Schluss. Mist, bloß durchhalten!
"An der Alster" und auf dem "Schwanenwik" entlang werden die Abstände nach vorn nicht wirklich geringer - hinter mir glücklicherweise aber auch nicht. Abbiegen in die "Schöne Aussicht", um weiter nah der Alster zu laufen. Mein Schrittfrequenz hält, die Frisur auch.
 
Kurz vor der Moschee taucht eine mir visuell bekannte Läuferin vor mir auf. (Hatte sie nicht erst kürzlich den HM der BSG am Flughafen gewonnen?) Keine Ahnung, was bei ihr nicht rund läuft, aber sie wird immer langsamer, hadert mit sich selbst und mit ihrem Freund / Trainer, der mit dem Rad nebenher rollt. Leider bekommt er sie nicht wirklich motiviert, so dass sie immer lauter wird und sogar stehen bleibt. Ich ziehe vorbei... und brülle ihr im Umdrehen gestenreich zu, sie solle sich an mich ranhängen! Ihm gefällt das offensichtlich gut und ermuntert sie dazu. Ihr scheint der Gedanke auch zu liegen, denn sie hängt sich dran. Leider nur knappe 200 Meter, dann fällt sie wieder zurück. Meine erneuten verbalen Ermunterungsversuche scheitern dieses Mal. Schade. Heute scheint nicht ihr Tag zu sein. Aber ist bzw. wird es meiner?*

17 km hinter mir, der 18te km naht. Auf der langen Geraden der "Sierichstraße" hole ich endlich mal einen ein. Jung ist er, aber die Körner gehen ihm aus, sein Gesichtsausdruck spricht Bände, als er sich nach mir umdreht. Ich schließe auf und wir motivieren uns gegenseitig, laufen nebeneinander. Bis ins Ziel?
Die Wasserstation wird auch kurz mitgenommen.

Kurze Irritation: Eine Gruppe von 3-4 Läufern nähert sich uns von hinten. Eine Frau, der Rest leistet Begleitschutz. Ich werde überholt auf den letzten 3 km! Unerwartet und ärgerlich, aber ich kann nicht kontern. Die laufen einfach zu locker. Sieht aus, als wären sie gerade erst zu einem Trainingslauf gestartet. (Wurde sie am Ende dritte deutsche Frau?) Egal, abhaken und wieder auf das eigene Rennen fokussieren. Meine Zwischenzeit sieht immer noch verdammt gut aus. Jetzt bloß nichts riskieren und die neue Bestzeit ist mir sicher! Andererseits was heißt hier riskieren? Ich merke langsam, dass ich an meinem Limit bin. Das Tempo zu halten wird nun hart genug.

Nach der 18 km Marke geht es weiter gerade aus auf der "Sierichstraße". Eine weitere Streckenänderung? Bleibt mir dadurch dieser elendige Anstieg zum Rothenbaum erspart? Die Stelle, wo man sich normalerweise nochmals Wasser wünscht, es aber auf den letzten 3 km keines mehr gibt?
JA, der Anstieg ist weg! HURRA! Dafür gibt es eine längere Gerade und man läuft weiter nördlich auf der "Sierichstraße", biegt in die "Maria-Louisen-Straße" ein, dann wieder links in die "Agnesstraße" und am Ende rechts in die "Fernsicht" ein. Glaube, da war ich noch nie. Schön grün hier. Und flach!
:-)

19 km liegen jetzt hinter mir, mein Begleiter nun auch - er musste abreißen lassen. Der kurze Blick auf die Uhr vermeldet weder steigenden Puls, noch arg verlangsamtes Tempo und die Zwischenzeit passt auch. Bloß keine Krämpfe, Unachtsamkeiten und irrwitzige Sprints hinlegen. Unter normalen Umständen komme ich in unter 1:25 Stunden ins Ziel. Aber wie weit...?

Rothenbaumchaussee = keine 1.000m mehr. Jetzt doch nochmals langsam schneller werden - soweit möglich. Keine Sekunde verschenken - soweit möglich. Der flüchtige Blick auf die Uhr offeriert eine Zeit, die potentiell deutlich unter 1:25 Stunden liegen könnte. Irre!
Etwas weiter vor mir gibt es noch Läufer; einen davon hole ich erstaunlich schnell ein und lasse ihn förmlich stehen, die anderen sind zu weit weg. Der schnelle Blick nach hinten offeriert keine weiteren Verfolger oder Überraschungen – leider auch nicht Sergio! (Irgendwie schade - hätte es mir / ihm / uns gewünscht!)

Der Zielkorridor kommt in Sicht- und dann in Schlagweite. Ich habe viel Platz nach vorn und nach hinten. Super! Und wenn das der Fall ist, dann wollte ich doch schon lange einmal etwas machen... *grins*

Die blauen Matten der Ziellinie direkt vor den Füßen stoppe ich ab, gehe runter auf Hände und Knie und rolle seitlich hüftwärts über die Matten.
Parallel dazu verkündet der Sprecher bei meinem Zieleinlauf doch glatt "Und da kommt Andi ins Ziel. Oh nein - er ist gestürzt! Ah, er rappelt sich wieder hoch."
:-(
 

Memo an mich selbst: Beim nächsten Mal ein paar Schritte früher abstoppen und in Seitenlage am Boden völlig lang strecken, dann erst über die Ziellinie rollen!!! Dann sieht es auch mehr nach "gewollt und gekonnt" aus und nicht nach "Panne oder Schwächeanfall".

Und möglicherweise erkennt der Sprecher dann auch die weltweit praktizierte Rolle zu Ehren des 2007 verstorbenen Triathleten Jon "Blazeman" Blais. ("Even if I have to be rolled across the finish line, I'm finishing.")
Dass er an ALS litt, war mir zwar bekannt - dass es ein paar Wochen später die sog. IceBucketChallenge geben würde, natürlich nicht. Schade nur, dass sein Name in dem Zusammenhang praktisch nirgendwo genannt wird.



Der Rest ist ein Traum:
Burkhard wartet direkt im Zielbereich auf mich und ich erhasche den Blick auf meine Uhr. YES, klar neue Bestzeit deutlich unter 1:25 Stunden. Sogar weit besser, als je rechnerisch erhofft.
Wir klatschen uns ab. Weitere bekannte Gesichter tauchen links und rechts am Rand hinter der Bande auf, Glückwünsche werden ausgeteilt. Andere bekannte Läufer trudeln ein, Abklatschen und Fotografieren nimmt seinen Lauf.


Völlig kaputt, aber total glücklich geht es jetzt auf zur Fressmeile.
Die haben wir uns jetzt aber auch verdient. Die Dusche und neue Klamotten allerdings ebenso..
;-)

Fazit:
Ein fast perfektes Rennen belohnt mit einer klar neuen Bestzeit und für mich ziemlich guten Platzierungen:
1:23:17 Std. netto
Platz 5 in meiner AK (von 572)
Platz 60 bei den Männern (von 3.618)
Platz 67 insgesamt (von 3.629 Männern und 2.023 Frauen)


*Nachtrag
Die mir visuell bekannte Läuferin und ihren Freund habe ich tatsächlich erst fast auf den Tag genau 2 Jahre später mal persönlich kennengelernt. Sie konnten sich sogar noch an unser kurzes Intermezzo erinnern. Immerhin etwas.

DANKE fürs Lesen!
:-)

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